01/Juli/2023 - Beitrag von Anna Wendt

Hochrandpfennige: massenhaft und rätselhaft

 

 

Münzen werden in der Forschung oft als ein Massenmedium bezeichnet, da sie in kurzer Zeit eine Vielzahl von Menschen erreichten. Deshalb wurde die Gestaltung des Münzbildes nicht dem Zufall überlassen.

Besonders hervorzuheben sind die sogenannten Sachsenpfennige, deren Herstellung und Gestaltung bis heute zum Teil noch ungeklärt ist. Die Sachsenpfennige wurden ungefähr ab der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts bis zum Anfang des 12. Jahrhunderts geprägt. Sie gelten als die klassischen Münzen der römisch-deutschen Könige und Kaiser der Ottonenzeit (919 – 1024) und wurden auch unter den Saliern (1024 – 1125) weitergeprägt.

Der Verbreitungsraum dieser Münzen ist beeindruckend. Er erstreckt sich über den gesamten Ostseeraum und den ehemaligen slawischen Gebieten östlich der Elbe, was dem Siedlungsraum der Wenden entspricht, weshalb die Sachsenpfennige auch irreführend als Wendenpfennige bezeichnet werden. Über 240.000 dieser Münzen wurden bisher gefunden, wobei die meisten in Schweden entdeckt wurden und nur etwa 67.200 im "sächsischen Gebiet, im Markenraum und elbslawischen Raum" (Kilger 2000, 27).

Die Herstellung der Sachsenpfennige gibt bis heute Rätsel auf. Besonders der hohe, ausgeprägte Rand, der ihnen den Namen (Hoch-)Randpfennige einbrachte, wirft immer noch Fragen auf. Obwohl es einige Theorien zur Herstellungspraxis gibt, konnte bisher keine in der Forschung eine Mehrheit gewinnen.

 

Die Sachsenpfennige werden grob in drei Gruppen eingeteilt, die mit der Bildgestaltung und dem Münzgewicht zusammenhängen.

Die älteren Prägungen von der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts bis ca. 1000 sind anonym und doppelseitig geprägt. Als mögliche Münzstätten stehen u.a. Magdeburg und Bardowick in der Diskussion. Auf der einen Seite zeigen sie ein stilisiertes Kirchengebäude und auf der anderen ein Kreuz. Diese Münzen lehnen sich stark an das Münzbild der karolingischen XPISTIANA RELEGIO-Denare Ludwig des Frommen (reg. 781 – 840) an.

Die zweite Gruppe zeichnet sich durch ihre markante Holzkirche auf der Vorderseite und eine Umschrift aus Strichen bzw. Balken aus, die zum Teil mit Buchstaben vermischt ist. Hierbei soll sehr wahrscheinlich eine Umschrift imitiert werden, was auch als Trugschrift bezeichnet wird. Kreuze mit Ringeln in den Winkeln sind gängige Gestaltungselemente für diesen Typus.

Diese Randpfenniggruppe wurde zwischen dem Ende des 10. Jahrhunderts und der Mitte/Ende des 11. Jahrhunderts ausgegeben. Die Prägeorte dieses Münztyps werden im Saalegebiet angenommen.

Die späteren Prägungen ab ca. der Mitte des 11. Jahrhunderts bis Anfang des 12. Jahrhunderts gehören zur dritten Gruppe, die eine größere Vielfalt in der Bildgestaltung zeigt. Dies steht im Zusammenhang mit der Weitergabe des Prägerechts unter den ottonischen Herrschern und vor allem unter den Saliern an Erzbischöfe, Bischöfe, Reichsabteien und weltliche Herrscher. Zuvor lag das Münzregal, also das Recht Münzen zu prägen, den Münzfuß festzusetzen, den Gewinn (Schlagschatz) aus der Münzprägung einzubehalten, das Münzverrufungsrecht sowie die Bestimmung des Münzbildes allein beim König bzw. Kaiser.

Otto-Adelheid-Pfennige

Eine besondere Gruppe dieses Typs bilden die Otto-Adelheid-Pfennige, da einige Münzen einen ähnlich gestalteten Rand aufweisen. Diese Münzen zeichnen sich aber vor allem durch den Namen "ODDO" oder "OTTO" in den Winkeln des Kreuzes auf der Vorderseite (Avers) aus, während auf der Rückseite (Revers) der Name der Kaiserin Adelheid in der Umschrift erscheint.

Die Forschung ist größtenteils zu dem Schluss gekommen, dass diese Münzen wahrscheinlich unter Kaiser Otto III. (reg. 983 – 1002) geprägt wurden und nicht, wie zuerst angenommen, eine gemeinsame Prägung des Kaiserpaars Otto I. (reg. 936 – 973) und Adelheid (reg. 951 – 973) waren.

Dieser Typ zeigt ebenfalls das Kreuz auf der Vorderseite und die Darstellung einer Holzkirche auf der Rückseite. Einige Münzen zeigen jedoch das Porträt des Herrschers auf der Vorderseite.

Die Otto-Adelheid-Pfennige wurden gerne imitiert und sogar nach dem Tod von Adelheid und Otto III. weiter geprägt.

Erste Gruppe

AV: Kreuz mit Punkten in den Winkeln in einem Perlkreis, Umschrift: Kombination aus Strichen, Kreuzen und Ringeln. RV: Stilisierte Kirche, Umschrift: Kombination aus Strichen, Kreuzen und Ringeln, Ø16 mm, 0,48g, Silber.
Universitätsbibliothek Leipzig, Inv.-Nr. 2021/0260.
© Universitätsbibliothek Leipzig (CC0 1.0)

Christiana-Religio-Denar

AV: Kreuz, in den Winkeln je eine Kugel, Umschrift: +HLVDOVVICVS MP. RV: Kirchengebäude, Umschrift: +XPISTIANA RELICIO, Ø20 mm, 1,75g, Silber.
Münzkabinett Moritzburg, Inv.-Nr. MOMK63695.
© Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale), Foto: Falk Wenzel (CC BY-NC-SA 3.0)

Zweite Gruppe

AV: Kirchengebäude, innerhalb ein Ringel und ein Punkt, Umschrift: Keilförmige Strichel/Balken. RV: Keilkreuz im Perlkreis, Umschrift: Kombination aus Buchstaben und Balken, Ø16,63 mm, 1,07g, Silber.
LDA Sachsen-Anhalt, Inv.-Nr.: 8938:138:80#1
© LDA Sachsen-Anhalt, O.S.C.A.R.

Dritte Gruppe

AV: Balkenkreuz, in den Kreuzwinkeln Punkte bzw. Ringel im Perlkreis, Umschrift: Trugschrift. RV: Keilkreuz im Perlkreis, Umschrift: Trugschrift, Ø13,37 mm, 0,58g, Silber.
LDA Sachsen-Anhalt, Inv.-Nr.: 9920:4915.
© LDA Sachsen-Anhalt, O.S.C.A.R. 

Während der Salierzeit waren die Randpfennige durch eine größere Vielfalt an Münzbildern und die Beteiligung mehrerer Münzstätten und Münzherren gekennzeichnet. Eine auffällige Besonderheit bei der Gestaltung der Sachsenpfennige aus dieser Zeit ist der deutlich höhere Münzrand und der kleiner werdende Durchmesser im Vergleich zu den älteren (Münz-)Typen. Zu den häufigsten Gestaltungselementen gehören das Keilkreuz, Kirchengebäude, Krummstab, Balkenkreuz, das Bild des Münzherrn und die Hand Gottes, die oft um verschiedene Beizeichen wie Ringel, Kreise oder Keile ergänzt wurden.

Einige Münzen können aufgrund ihrer Gestaltung mit hoher Wahrscheinlichkeit einer bestimmten Münzstätte zugeordnet werden. So werden beispielsweise die Denare, die den heiligen Moritz zeigen, und die sogenannten Kirchenpfennige der Münzstätte Magdeburg zugeordnet. Obwohl die genaue Zuweisung vieler Münzen unsicher bleibt, ist aufgrund von Fundorten eine regionale Eingrenzung möglich.

Manche der aufgeführten Gestaltungselemente sind leichter zu interpretieren als andere, wie beispielsweise der Krummstab, der sicherlich für eine (erz-)bischöfliche Münzprägung steht. Viele andere Zeichen und Symbole wie Keile, Kugeln, Balken, Striche usw. bleiben unerklärbar und regen zu den unterschiedlichsten Interpretationen an. Auch die Um- bzw. Trugschriften wurden in der numismatischen Forschung bereits intensiv diskutiert.

Die hier abgebildeten Münzen des Lichtmessmuseums Glinde gehören zu den späteren Prägungen. Diese beiden Denare aus Glinde zeigen den charakteristischen hohen Münzrand und den Krummstab, der nach Kilger zur der Gruppe der jüngsten Hochrandpfennige gehört. Aufgrund des Krummstabs werden diese Typen sicherlich bischöfliche Prägungen sein. Das Verbreitungsgebiet dieser anonymen Krummstabtypen, so Kilger, „liegt im südlichen Elbslawenraum, im Markenraum und im polnischen Raum “ (Kilger 2000, 85) und sie dienten wohl eher dem regionalen Zahlungsverkehr und nicht dem Fernhandel.

 

Die Sachsen- bzw. Hochrandpfennige werden oft auch aufgrund der Fundsituation im heutigen skandinavischen und elbslawischen Raum als Fernhandelsdenare bezeichnet. Hier ist eine rege Forschungsdebatte im Gange, die zum einen die Handelsbeziehungen zu den Wikingern und den slawischen Gebieten sowie die dortigen Deponierungsumstände der Hortfunde beachtet und zum anderen die kulturellen Unterschiede im Umgang mit Geld und die politisch-religiöse Agenda der römisch-deutschen Herrscher berücksichtigt.

Die Hochrandpfennige stellen bis heute eine Herausforderung für die numismatische Forschung dar. Daher ist jeder neu entdeckte Fund von Sachsenpfennigen wichtig für das Verständnis dieser Münzgattung und trägt zur weiteren Erforschung und Rekonstruktion der Münz- und Geldgeschichte bei.

 

 

 

Text: Anna Wendt
Online-Redaktion: Anika Tauschensky


 

Literatur

U. Dräger, Münzen für den Fernhandel — der Export normierten Silbers in das nördliche und östliche Europa, in: R. Fikentscher (Hrsg.), Tauch- und Geldkulturen in Europa (Halle [Saale] 2019) 125–153

C. Kilger, Pfennigmärkte und Währungslandschaften. Monetarisierungen im sächsisch-slawischen Grenzland ca. 965 – 1120, Commentationes De Nummis Saeculorum IX-XI in Suecia Repertis. Nova Series 15 (Stockholm 2000)

B. Kluge, Sachsenpfennige und Otto-Adelheid-Pfennige. Anfänge und Dimensionen der Münzprägung in Magdeburg und Sachsen zur Zeit der Ottonen, in: M. Puhle (Hrsg.), Otto der Große. Magdeburg und Europa, Band 1: Essays (Mainz 2001) 417–426

L. Tewes, Sächsische Hochrandpfennige des 10. und des beginnenden 11. Jahrhunderts, Numismatische Beiträge 1, 1979, 14–22